Weihnachten im Erzgebirge

weihnachtsbuch„Feierohmd“, sagte Meister Voigt. Ein merkwürdiger Feierabend: er setzte einen alten Hut auf, krempelte die Ärmel hoch und wendete die Werkstatt beinahe um. Er musterte die Hölzer; die „halbschierigen“ kamen in die Schupp, die schlechten Brocken in die Kiste zum Feuerholz. Der Nagelnapf wurde umgekippt, ausgeblasen und alles das weggeworfen, was im Laufe des Jahres zu Unrecht hineingeraten war. Er sortierte die breite Rinne in der Hobelbank leer; die Schneiden der Stemmeisen wurden am Saunabel eingefettet, im großen Hobel ließ er das Eisen nach und nahm dem Seil der Handsäge die Spannung. „Itze ham mersch“, sagte der Meister, schwenkte mit seinem Schnupftuch den Staub von den Fensterkreuzen, hängte den alten Hut an den Nagel, band die Schürze ab und ging in die Stube.
Dort hatte meine Großmutter mit ihren Maaden „raaneviert“, als müsse man das Mannsvolk weit übertreffen. Der Alte hatte es immer noch beim Trocknen bewenden lassen, die Frauensleute aber ließen keine Ecke unbenetzt. Jeder Schub wurde nass abgerieben und bekam neues, gezacktes Papier. Die Tischplatte und der Fußboden wurden abgewurzelt wie eben nur einmal im Jahr. Die Bretter verloren nach und nach ein wenig die Glätte, wurden schwielig und rissig, aber auch immer heller, mit einem Schein ins Silbrige.
Es gab Kartoffeln und „Eitunk“; bald gingen die müden Voigte zu Bett und dachten, auch wenn sie nicht davon sprachen, an den morgigen Abend. „Minna, Anna, när’s beste Struh!“ sagte Meister Voigt am nächsten Morgen, prüfte streng und ließ jede Schütte durch seine Hand gehen, „weil’s fürs Bornkinnel is“. Drum breiteten sie ihr schönstes Haferstroh auf den hellen Dielenbrettern aus und warteten andächtig auf den Abend. Am Abend brannte der große Leuchter mit allen seinen messingnen Lämpchen. Darunter saß die ganze Familie; die Klöße dampften. Neunerlei stand auf dem Tisch, niemand stand auf, ohne sich hindurch gegessen zu haben. Auch den Hirsebrei mussten alle kosten, damit stets Groschen in der Lade klapperten im neuen Jahr.
Das Stroh knisterte, es roch noch ein wenig nach Stall; der war ja gleich neben der Stube. Nach dem Essen wurden Brot und Salz in das Tischtuch eingeschlagen; der Vater tat es selbst. Die Mutter ging leise hinaus und kam mit einer vollen Schürze zurück. Gleich ließ sie ihre Gaben ins Stroh purzeln: Strümpfe, Handschuhe, einen Rock, für den Jungen ein Paar Stiefel, für den Vater eine neue blaue Schürze. Alles war fein säuberlich in Päckchen mit Namensschild verpackt. Jedem war eine versteckte Walnuss beigefügt, die wie pures Gold leuchtete und sogar noch ein wenig Gold für die Fingerspitzen hergab. „Vergaßt ne Stall net“, sagte der Vater. Da wurden die Kühe, die Kälber und Schafe beschenkt mit einem Butterbrot, das mit Nusskernen belegt war. Die Tür zum Stall blieb nun offen. Sie sangen die alten Lieder. Es roch nach Weihrauchkerzeln, dem schönsten Zopf Angelika, der am Ofen hing, und auch ein klein wenig nach der Tobakspfeif des Vaters (ich glaube, in seine Schürze war keine Nuß, sondern ein Beutel mit Tabak eingewickelt). Der Alte sang nicht immer mit, aber er handierte mit seiner Pfeife wie mit einem Taktstock, und zuletzt erzählte er von den Weihnachtsfesten seiner Kindheit. In dieser Nacht schliefen sie alle im Stroh, die Mädchen ganz nahe bei der Mutter. Ich weiß, wie kurz die Nacht war, meine Mutter hat es mir so erzählt. Ein Kind um das andere wollte wissen, „ob es Zeit sei“. Es war noch nichts vom Tag zu spüren, als sie alle mit ihrem Licht, einem einzigen für die Familie, zur Metten aufbrachen.
Gleich nach dem Mittagessen durften alle Kinder zu einem Nachbarn gehen, zum Hähnel Edeward. Seit Wochen wussten sie, dass er seine Krippe aufbaute und dass wieder etwas Neues dazu gekommen war.
Es war schwer in die Stube zu kommen, so überfüllt war sie; den halben Platz nahm ohnehin die Krippe ein. Die Kinder standen sich geduldig durch. Mild flackerte das Licht der kleinen Rüböllampen. Die Bergleute, die Bauern, die drei Könige, die Schäfer und die Hirten kamen allesamt zum Christkind. Ein Hirte hatte ein Schäfchen um den Hals gelegt, und ein Bergmann hatte ein Stück Silbererz „Rotgüldenes“ in den Händen.

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